ARTIST MARIA MARACHOWSKA
ART & MUSIC

DAS HERZ DES BLUES SCHLÄGT AUCH IN SIBIRIEN

Über Maria Marachowska und ihren “Sibirischen Blues“

Ludwig Wittgensteins berühmtes Zitat “Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“ wird durch diese Musik ad absurdum geführt, jedoch lässt es sich auf wundersame Weise dehnen und bekommt eine  neue Bedeutung. Was uns hier dargeboten wird, ist mehr als eine Sprache im engen Sinn, es ist die universelle Sprache der Musik und sie kennt keine Grenzen. Dass Maria Marachowska ihre Lieder auf Russisch vorträgt, kann man als ein Statement verstehen. Sie bricht mit dem ungeschriebenen Gesetz, dass Musik, die sich an ein internationales Publikum wendet, nur eine Sprache kennt: Englisch oder eben ein gequältes Imitat davon.


Allzu oft wird durch diesen Hang zum sprachlichen Monopolismus der mehr als beachtliche Beitrag vergessen, den Russland zur Weltliteratur und der Entwicklung raffinierter Erzählstrukturen geleistet hat, sprachgewaltige Narrationsmuster und poetische Höhenflüge. So wird die russische Sprache bei Maria Marachowska zu einem gekonnten Kunstgriff, der uns in eine Ausdruckswelt fernab der Russendisko, des Balkanbeat und der Multi-Kulti-Folklore eindringen lässt. Es ist als würde das Herz des Blues mit einem Mal in dieser weichen Sprachmelodie schlagen und wir verstehen: diese Sprache löst alle Grenzen auf. Als wäre es nie anders gewesen hören wir diesen “Sibirischen Blues“ als etwas völlig neues und doch so vertrautes, ein uralter Gemütszustand der Menschheit, der immer schon da war, bevor er im Deep South der Vereinigten Staaten offiziell geboren wurde.


Es bedarf keiner Übersetzung, um zu begreifen und zu fühlen, worum es in diesen ausdrucksstarken Liedern geht, die von tiefer Melancholie künden, um im nächsten Moment mit ihrer Lebenskraft anzustecken. Ihre Texte sind berühmten russischen Dichtern entliehen, die in der westlichen Welt entweder in Vergessenheit geraten oder nicht übersetzt worden sind und erst jetzt durch ihre Musik ein anderssprachiges Publikum  erreichen können, andere Texte stammen aus ihrer eigenen Feder. Das Lied “Scandalist“, das ihrer ersten CD den Namen gibt, basiert auf einem Text des russischen Dichters Sergeij Jessenin und strotzt von der Kompromisslosigkeit und revolutionären Energie eines François Villon. Maria Marachowska trägt den Text mit einer Intensität vor, die Staunen macht bei einem äußerlich so zart gebauten Geschöpf.


Wenn sie jene Zeilen singt, die in der deutschen Übersetzung soviel bedeuten, wie: “Ich war vulgär und skandalös, um stärker zu leuchten.“, dann spürt man den Schmerz, die Trauer und Lebenserfahrung, aber auch den Stolz, die in diesen Zeilen stecken und es wirkt in keiner Weise aufgesetzt. Bemerkenswert ist nicht zuletzt auch die Tatsache, dass sie manche Songs in der russischen Sprache in der maskulinen Form vorträgt, da sie den originalen Wortlaut der von männlichen Dichtern geschriebenen´Lyrik nicht verfälschen möchte.

Ihre eigenen Texte erzählen von Sehnsucht und der Suche nach Schönheit, von Monstern und den Niederungen der menschlichen Seele und doch gibt es in ihnen dieses Licht, etwas, das leuchtet und in aller Düsternis sich dem Leben zuwendet. Es ist nichts Süßliches in diesen Liedern, keine oberflächlichen Liebesbezeugungen, keine Alltäglichkeit, sie sprechen aus anderen Welten, aus einer Tiefe der Gefühle, einer Ehrlichkeit und rohen Poesie wie wir sie in der Gegenwartsmusik selten finden, eher kann man einen fernen Nachklang der Beatpoeten, eines William S.Burroughs in diesen Lyrics erkennen. Und doch steht der “Sibirische Blues“ für sich selbst, lässt sich nicht einordnen und genau das macht ihn so besonders. Auf Deutsch vorgetragen, ist “Metall Mama“ eine Ausnahme in ihrem musikalischen Œuvre, ein phantastisches Gedankengebilde, es zeigt, wie kalt es in Deutschland sein kann und die Härte der deutschen Sprache verstärkt die eindringlichen Bilder dieser Momentaufnahme, die in 4 Strophen ein ganzes Schicksal erzählt, eine moderne Moritat voll roher Poesie und Wehmut.


Die Idee zu diesem Lied kam ihr an einem regnerischen Tag bei einer Straßenbahnfahrt in Jena, als sie sich in Gedanken versunken, ein achtlos weggeworfenes Metallstück vorstellte, das langsam vor sich hin rostet, als Sinnbild menschlicher Einsamkeit. Ohne Zweifel sind Maria Marachowskas Texte sehr visuell und dieses Visuelle offenbart sich auch in ihrer Musik. Es ist nicht von ungefähr, dass sich Filmbilder aufdrängen, wenn´man sich diesem Klang und seiner Atmosphärik hingibt.

Es gibt Momente, die würden einem Angelo Badalamenti und seiner psychedelischen Wehmut alle Ehre machen, in anderen Momenten wünscht man, Pedro Almodóvar möge diese neue kraftvolle Frauenstimme entdecken, um seine malerischen Bilder von Liebe und Leidenschaft zu unterlegen, die Minimalistik der Gitarrensoli wiederum lässt an Neil Youngs Soundtrack zu Jim Jarmusch’s mystischem Edelwestern “Dead Man“ denken.


 

Die getragene Feierlichkeit und wunderbar dramatische Intonation des Songs “Gefühle“ lässt tableauhafte Bilder vor dem inneren Auge entstehen, wie ein Peter Greenaway sie erschaffen könnte. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt und in keinem Augenblick hat man das Gefühl, dass hier irgendwelche musikalischen Anleihen genommen wurden. So verblüffend es klingt, kann man in der Musik von Maria Marachowska deutlich erkennen, dass sie gleichzeitig auch Malerin ist. Als Malerin, sagt sie, kann sie jede Geschichte, die ihr zu Ohren kommt, in ein Bild übertragen, das trifft auch auf ihre Musik zu. Dieser blaue Dunst, der Blues ist, formt sich in ihrer Musik zu Figuren, zu Stimmungen, nimmt die Gestalt poetischer Worte an, wirkt beinahe meditativ. Es ist eine Reise in die “Anatomie der Melancholie“, zu schön, um sich eine Heilung dieses Zustands zu wünschen, wie sie im vollen Titel des gleichnamigen Werks von Robert Burton aus dem Jahr 1621 erwähnt wird.

Maria Marachowskas Musik atmet, gerade in der Langsamkeit offenbart sich eine ungemeine Kunstfertigkeit, man kann einzelne Töne nachklingen lassen und die Gedanken werden getragen wie in einem langen ruhigen Fluss, es gibt keinen Ton zu viel, in dieser Musik lebt das auf, was den Blues ausmachen sollte. Es bedarf keiner regionalen Zuordnung, keiner Kategorisierung, Blues ist nicht ortsgebunden, neue aufregende Formen entstehen fern von den Traditionen des Mississippi-Deltas, des Deep South oder Chicagos. Er muss nicht von der schwarzen oder der amerikanischen Seelenlandschaft berichten, ist viel mehr Ausdruck eines universellen Lebensgefühls. Das Herz des Blues schlägt, wie wir in Maria Marachowskas Musik erkennen, auch in Sibirien.

Wer sich auf diesen einzigartigen Musikstil des “Sibirischen Blues“ einlässt, entdeckt eine innere Harmonie, hört plötzlich in sich hinein und stößt auf lange verschüttete Gefühle und Emotionen. Aus den nur auf den ersten Blick so einfachen Akkorden, kann man klassische Tonfolgen heraushören, die auf komplizierten musik-theoretischen Strukturen beruhen. Diese fein-nuancierten klassischen Einflüsse, die ihren Liedern die entsprechende Dramaturgie und Klangtiefe verleihen, hat Maria Marachowska ihrer Musikausbildung an der E.T.A. Hoffmann-Musikschule für Hochbegabte in Kaliningrad zu verdanken, die sie von 1989 bis 1993 besuchte. Die Musikbegeisterung ihrer frühen Jahre ist unverändert, nur dass sie von ihrem ersten Instrument, dem Piano, zur Gitarre gewechselt hat.


Im weichen Timbre ihrer außergewöhnlich tiefen Gesangsstimme klingt etwas rauchig-sinnliches an, wie sie an manchen Stellen die Stimme anhebt, um dann wieder leiser zu werden, das genau abgestimmte Timing der Pausen, all das weist auf einen ausgeklügelten dramaturgischen Aufbau hin, in dem nichts dem Zufall überlassen bleibt. Und doch ist es die scheinbare Leichtigkeit und das Selbstverständnis, mit der sie ihre Lieder vorträgt, die die Anziehungskraft dieses musikalischen Schauspiels ausmachen. Es macht uns staunen, was ein so junger Mensch hervorbringen kann und dabei so tief unter die Oberfläche dringt, nicht nur in ihrer Stimmlage, sondern auch der damit verbundenen Intensität braucht sie einen Vergleich mit der reifen Chavela Vargas nicht zu scheuen.

Passend zu ihrer Musik, ist auch Maria Marachowskas äußeres Erscheinungsbild von einem strengen Stilwillen geprägt. Auf den Fotos der Künstlerin dominiert klassisches Schwarz-Weiß, das an die Starportraits einer Marlene Dietrich erinnert, Zigarrenrauch, Nadelstreif, Dandytum par excellence und manches Mal der Mond, der rätselhafte Lichtkörper, der den Wesen der Nacht den Weg weist. Es ist eine Elegance, die aus einer anderen Epoche zu kommen scheint, etwas Aristokratisches in ihren Zügen und gleichzeitig dieses geheimnisvoll Androgyne in ihrer Erscheinung, die auch ihre Bühnenpräsenz ausmachen. Keine andere junge Musikerin spielt so souverän mit dem klassischen Stil und macht ihn sich zu Nutzen, um daraus ihre eigene Persönlichkeit zu schaffen. Jenseits vorgegebener Geschlechterrollen und stilistischer Vorgaben, erschafft sie eine Kunstfigur, die doch niemand anderer ist als sie selbst. Eine Figur, wie sie einem klassischen Film Noir entschlüpft sein könnte.


Maria Marachowska wurde vor 35 Jahren in Omsk, Sibirien geboren, ihre Kindheit und Jugend waren von mehrfachen Ortswechseln beeinflußt, die ersten sechs Jahre ihres Lebens verbrachte sie mit ihrer Familie in Estergom/ Ungarn, danach lebte sie 13 Jahre lang in der ehemaligen ostpreussischen Metropole Kaliningrad/ Königsberg, eine Zeit, die sie durch die seltsam magische Anziehungskraft des Ortes und seines verblichenen  Glanzes und nicht zuletzt durch seine Nähe zum Meer in ihrem künstlerischen Ausdruck geprägt hat. 1998 kehrte sie für ein Kunststudium 2 Jahre in ihre Geburtsstadt Omsk zurück.

Die Musik als Beruf und Berufung aber entdeckte sie erst in Berlin, wo sie seit 2004 lebt, endgültig für sich. “Sprachlos, einsam, als Fremde“, wie sie selbst sagt, fand sie ihre Ausdrucksform im “Sibirischen Blues“. Kein Zufall also, dass diese Musikform in Berlin geboren wurde, scheint sie auch von fern her zu kommen, zeitlos und in keinem ethnischen Muster verhaftet. Sie unterscheidet sich deutlich von der sogenannten Berliner “Avantgarde“, schon durch ihren tiefen Ernst und die Ehrlichkeit, hier wird nicht um jeden Preis durch die Parodie des Mainstream Wirkung erzielt, sie nimmt einfach keine Kenntnis von der Existenz des Mainstream und erschafft ihre eigene Welt.

Bereits bei ihren zahlreichen Auftritten im legendären Kaffee Burger, in dem sie sich von 2007 bis 2009 mit ihrer “Katharsis “-Reihe auch einen Namen als Veranstalterin machte, nahm sie das Berliner Szenepublikum in ihren Bann. In ihrem neuen Programm “Scandalist“ widmet sie sich nun erstmals nur ihrem eigenen musikalischen Repertoire und offenbart uns die volle Bandbreite ihrer Ausdrucksmöglichkeiten und ihrer Persönlichkeit.


Umso deutlicher wird es, mit wem wir es hier zu tun haben:  Maria Marachowska ist eine starke, neue Gestalt am Berliner Kulturhorizont, die eine große Zukunft vor sich hat und sich auf keinen Fall ignorieren lässt. Nach den   beiden gemeinsamen Konzert-Auftritten mit dem Berliner Schauspieler und Musiker Wer.n Wilke, im “Ex’n’Pop“ und “Art.Gerecht“ im Juni 2010, bei denen die gemeinsamaufgenommene CD “Scandalist“ vorgestellt wurde, wird sie nun ihre Solo-Karriere fortsetzen und wieder alleine auf die Bühne gehen.

Es ist ihr bewusst, dass sie das Charisma für eine Solo-Künstlerin besitzt, sie überzeugt mit ihrer Persönlichkeit und beweist in einer Zeit, die zum musikalischen Gruppenzwang tendiert, dass es etwas Besonderes und Herausragendes ist, diese Kunst des Minimalismus zu zelebrieren und dem allgegenwärtigen Band-Gleichklang etwas Klares, Präzises und Mutiges entgegenzusetzen. In ihren eigenen Händen wird der Diamant am besten geschliffen und erreicht die größtmögliche Strahlkraft.

Die Melodie spricht, auf Maria Marachowskas Gitarre glauben wir immer auch ein Echo ihrer Gesangs-Stimme zu hören, sie beherrscht eine Technik des Spiels, die uns auf wundersame Weise die akustische Illusion vermittelt, mehrere Instrumente aus dem einen heraus zu hören. In der Gesamtwirkung bedarf es nicht mehr als diese eine Gitarre, um den Drive einer Band entstehen zu lassen. Es ist, als würden die Töne ihr von einem  fernen Stern zufallen, wie William S. Burroughs die überirdische Kraft der Musik in seinen “Cities of the Red Night“ beschrieben hat. Bald werden wir davon mehr hören in der Berliner Szene, und nicht nur hier, Konzerte in näherer Zukunft sind auch geplant für München, Köln, Hamburg und Wien.

Text: Iris Weirich 2010


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